Freitag, 9. April 2010

Besuch bei den Indigenen

Freitag, der 9. April – Besuch der Indigenen am Fluss Bermejo

Schon kurz nach Sonnenaufgang fahren wir mit einem klapprigen Auto in die Richtung des Flusses Bermejo. Zunächst noch auf Asphaltstraßen sehe ich die übliche Vegetation. Es gibt wenige Bäume und das Land wird mit verschiedenen Kulturpflanzen bebaut. Zum großen Teil wird hier Soja gesät, die zu 80 % nach China exportiert wird. Dazwischen drin sehe ich auch Mais. Die gesamte Gegend ist sehr eben. Da es vor einiger Zeit viel regnete ist jetzt alles grün. Aber von Hendrik Zienau, unserem Freiwilligen, ließ ich mir erzählen, dass es vorher eine lange Trockenzeit gab, so dass es im Projekt kein Wasser gab und das Thermometer bis auf 55 Grad anstieg. Er meinte: „Am Schluss sehnte ich mich nur noch danach, dass die Hitze vorbei gehen wird“.

Sobald wir in das Gebiet der Indigenen kommen, sehe ich einen starken Baumbewuchs. Dazwischen sind immer wieder kleine Häuser versteckt. 50 ha bekam jede Familie zur Bewirtschaft zugeteilt. Die erste Station, die wir besuchen ist eine Gesundheitsstation. Gleich daneben befindet sich auch eine Radiostation, die von einem 13 jährigen Jungen bedient wird. Auch eine kleine Schule funktioniert an dem Ort.

Mit unserer Ankunft kommt auch gleich der erste Patient für die Station. Ein Krankenhelfer nimmt ihn auf und gibt ihn nach einer Untersuchung Medikamente mit. Einmal in der Woche kommt der Arzt und behandelt die schwereren Fälle. In Notfällen kann der Arzt über Radio gerufen werden.

Bei unserer Weiterfahrt besuchen wir einen Pastor. Für die 3000 Indigenen gibt es in der Gegend 60 verschiedene einheimische Kirchen. Das kirchliche Leben wird in der Indigenensprache abgehalten. Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass die traditionellen Kirchen hier kaum vertreten sind.

Als nächstes besuchen wir eine Schule, die bis zum mittleren Abschluss führt. 99 SchülerInnen besuchen sie. Mit 21 LehrerInnen ist die Schule gut ausgestattet, wobei einige in Teilzeit an der Schule arbeiten. Neben den allgemeinen Fächern wird die indigene Sprache unterrichtet, die gerade in den Städten in Vergessenheit gerät.
Auf meine Frage, ob sie wieder das frühere Leben reaktivieren möchten, bekomme ich die klare Antwort: „Das traditionelle Leben der Indigenen gibt es nicht mehr, aber die heutige Aufgabe ist es, dass es wert geschätzt wird“.
Auf die Frage nach der Denkweise der Indigenen wird mir erzählt: „Für uns Indigenen sind die Dinge um uns herum mit Leben erfüllt. Während die Weißen sie als Objekt betrachten, die man wirtschaftlich nutzen muss“.

Bei unserer Rückfahrt unterhalte ich mich noch mit Hendrik intensiv über seine Eindrücke. Ich staune über ihn, wie tiefgreifend er die Entwicklung im Chaco reflektiert. Für mich ein Beweis, dass das Freiwilligenprogramm das Ziel der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit voll erreicht.

Die Unterbringung ist für deutsche Verhältnisse sehr prekär und 2 Monate ohne Wasser bei dieser Hitze könnte ich mir nicht vorstellen. Sein Mentor, Pastor Jorge, meinte dazu: „Er ist jetzt für alle Schwierigkeiten des Lebens ausgerüstet“.

Jetzt bin ich gespannt auf Charata. Es liegt 3 Stunden südlich von Castelli und heute Abend werde ich dorthin fahren.

Besuch in Juan José Castelli - Chaco

Donnerstag, der 8. April – Ankunft in Juan José Castelli

Nach 20 stündiger Fahrt bin ich in Castelli im Chaco (in der Nähe der Grenze zu Paraguay) angekommen. Der nördliche Teil Argentiniens ist flach. So war auf der ganzen Fahrt auch kein einziger Hügel zu sehen.
In Castelli werde ich von Pastor Jorge und unserem Freiwilligen Hendrik Zienau abgeholt. Sie arbeiten in der Junta Unida de Misiones (JUM). Es ist eine Einrichtung der evangelischen Kirchen (Methodisten, evangelische Kirche am Rio de la Plata, Waldenser Kirche und der Jünger Jesu Christo)

Die JUM besteht seit 47 Jahren und begleitet die indigenen Völker im Chaco. Es sind vor allem die Stämme Toba und Wichi, die hier beheimatet sind. Heute werden sie gesetzlich anerkannt. Dies war aber nicht immer so. Bevor die Wolgadeutschen, nach 1930, das Land bekamen wurden die indigenen Stämme von den Militärs vertrieben und zum großen Teil umgebracht.

60 000 Indigene leben heute noch im Chaco. Es geht darum, dass ihr ursprüngliches Leben wert geschätzt wird.
Das ist nicht einfach, da ihnen zwar Land zuerkannt, aber zu 70 % es ihnen noch nicht zurück gegeben wurde. Die Weißen bewirtschaften das Land und deshalb tut sich die Regierung schwer das Land in dem Maße wie man es anerkannt hat auch zurück zu geben.

Pastor Jorge arbeitet schon seit Beginn in dem Projekt und kennt alle Einzelheiten. Er erzählt, dass der Verdacht des Genozids an den Indigenen aufkam und deshalb jetzt alle drei Monate staatliche Kontrolleure in das Gebiet kommen und die Menschen befragen, was vorgefallen ist.

Die Stadt Castelli ist in den letzten Jahren von 5.000 auf 40.000 Einwohnern gestiegen. Es leben die verschiedensten Nationen in der Stadt, aber offensichtlich in einer guten Nachbarschaft. Die Stadt hat was "wildwesthaftes" an sich. Aber das hängt sicher damit zusammen, dass sie an einer ganz entlegenen Stelle Argentiniens liegt. Das Leben ist ruhiger und die Leute sprechen langsamer. Das tut gut nach den Eindrücken in dem schnelllebigen Buenos Aires.

Besuch der Theologischen Hochschule - ISEDET in Buenos Aires

Mittwoch, der 7. April – Besuch der Theologischen Hochschule – ISEDET

Buenos Aires ist eine schöne Stadt mit ungefähr 3 Millionen Menschen. Allerdings kommen jeden Morgen ca. 5 Millionen Menschen dazu, die in der Hauptstadt arbeiten. Dementsprechend verstopft sind die Straßen, wenn am Morgen die Arbeit beginnt, obwohl sie sehr breit angelegt sind.
Deshalb sind lange Wege zur Arbeit ganz normal.

In Argentinien sind alle traditionellen Kirchen, aber auch die Pfingstkirchen stark vertreten. Die verschiedenen Einwanderungsbewegungen haben jeweils ihre Kirche mitgebracht und haben versucht sich zuerst als unabhängige Gemeinde zu behaupten. Häufig hatten sie zunächst keinen Pfarrer oder es kam nur ein Reiseprediger hin und wieder vorbei. Eine Kirchenverfassung mit Zentrale ist ihnen suspekt. Die Unterstützung einer Struktur außerhalb der eigenen Gemeinde hat es schwer von den Gemeinden finanziert zu werden. Die meisten Kirchenzentralen der verschiedenen Kirchen müssen von außen mitfinanziert werden.
Allerdings waren es die Gemeindeglieder gewöhnt mit anderen Konfessionen zusammen zu leben. In dem einem oder anderen Fall mag es zu Spannungen kommen, aber generell scheint ein eher entspanntes Verhältnis zwischen den Konfessionen zu bestehen.

Daraus entwickelte sich auch die ökumenische theologische Hochschule ISEDET in Buenos Aires. Alle historischen Kirchen sind an ihr beteiligt und lassen ihre Pfarrer dort ausbilden. Sogar Katholiken und Pfingstkirchen sind vertreten.
120 Studenten aus ganz Südamerika studieren an der Hochschule. Außerdem gibt es noch ein Fernstudium für 90 StudentInnen und 80 StudentInnen der indigenen Völker werden durch ein besonderes Programm erreicht. Die Hochschule steht unter einem großen Kostendruck und eigentlich müsste sie noch 2 Professoren anstellen um alle Aufgaben bewältigen zu können. Aus Kostengründen ist dies nicht möglich und darunter leidet die wissenschaftliche Tätigkeit.
Dadurch, dass die verschiedenen Kirchen an der Hochschule vertreten sind gibt es automatisch einen engeren Kontakt zwischen den TheologInnen der Kirchen. Neben dem allgemeinen Unterricht bieten die Kirchen noch konfessionellen Unterricht an, damit die angehenden PfarrerInnen auch etwas über ihr Identität lernen.

Die ISEDET hat noch etwas Besonderes. Das ist die Bibliothek. Es ist die größte theologische Bibliothek in Südamerika. Sie wird uns (Dr. Claudia Jahnel ist inzwischen aus Deutschland dazu gestoßen) von Dr. René Krieger gezeigt. Es lohnt sich der Besuch. Schade, dass ich keine Zeit habe länger zu stöbern….
Die deutschen Studenten, die hier studieren haben jedenfalls gute Möglichkeiten.

Mittwoch, 7. April 2010

Dienstag, der 6. April - Besuch der evangelischen Kirchen

Dienstag, den 6. April in Buenos Aires

Heute bin ich in Buenos Aires unterwegs. Die breiten Straßen ermöglichen es, dass man auch bei starkem Verkehr gut voran kommt.
Trotzdem sind wir 1 Stunde vom Theologischen Institut zur Kirchenleitung unterwegs, was die Größe der Stadt Buenos Aires deutlich macht.

An diesem Tag lernte ich die Zentralen der beiden Evangelischen Kirchen in Argentinien kennen. In Beiden gibt es einen deutlichen Schwerpunkt auf diakonischer Arbeit. So hat die Evangelische Kirche am Rio del Plata (IERP) 42 Gemeinden und 40 diakonische Projekte. Die Gemeinden befinden sich hauptsächlich im Großraum Buenos Aires, Montevideo, im Chaco und in der Gegend um Entre Rios. Anfangs des 20. Jahrhunderts entstand die Unierte Evangelisch Lutherische Kirche, die von amerikanischen Missionaren gegründet wurde. Beide sind sie Diasporakirchen und beide sind auf die Hilfe von außen angewiesen. Die eine hat stärkere Verbindungen in die USA und die andere nach Deutschland.

Ihre Pfarrer werden am Theologischen Institut in Buenos Aires ausgebildet. Dadurch besteht auch ein intensiver Kontakt zwischen den Kirchen und es gibt viele Orte an denen die beiden Kirchen auch zusammen arbeiten. Die gute Zusammenarbeit zeigt, dass auch trotz unterschiedlicher Entwicklung ein gemeinsames Bauen am Reich Gottes in dieser Welt möglich ist.

An dem theologischen Institut studieren Frauen und Männer aller Konfessionen. Die Pfingstkirche sind genauso wie die historischen Kirchen vertreten. Dadurch lernen sich die künftigen Geistlichen schon während der Ausbildung kennen und es werden sicherlich auch Vorurteile abgebaut. Dazu kommt, dass Studenten aus ganz Lateinamerika vertreten sind. Dadurch hat sie nicht nur ein ökumenisches Profil sondern auch ein internationales. Bei den Vorlesungen gibt es angeregte Diskussion, da die StudentInnen von ganz unterschiedlichen Frömmigkeitsrichtungen herkommen. Eine Studentin einer Pfingstkirche bekannte ganz offen: „In meiner Kirche wird viel aus Unkenntnis heraus anders gemacht.

Eine ökumenische Ausbildungsstätte gibt es in dieser Form meines Wissens in Deutschland nicht. Es ist ein weiterer Grund, dass wir inzwischen von den jüngeren Kirchen lernen können.

Dienstag, 6. April 2010

5. April 2010 - Ostermontag in Buenos Aires

Ostermontag, den 5. April 2010

In dem Großraum von Buenos Aires gibt es verschiedene kirchliche Projekte. Deshalb fahre ich am Ostermontag, der für die Argentinier ein ganz normaler Arbeitstag ist nach Quilmes. Früher hieß ein kleiner Hafen Quilmes. Im 19. Jahrhundert gründete ein Herr Member eine Bierbrauerei mit dem Namen Quilmes. Sie hatte großen Erfolg und ist heute eine der größten Brauereien. Daraufhin weitete sich der Namen auf die in der Nähe liegenden Ansiedlungen aus, wo sich auch der Sitz der Brauerei befindet. Heute ist Quilmes eine schöne Vorstadt von Buenos Aires.
Ich treffe mich mit Jonas. Er macht sein freiwilliges Jahr im ökumenischen Menschenrechtsbüro und arbeitet in dem Projekt Itati, in einem Armenviertel oder Villa, wie die Argentinier es nennen. Er wohnt privat bei einer Familie der Evangelischen Kirche. Herzlich werde ich empfangen und ich konnte mich davon überzeugen, dass Jonas gut untergebracht ist.

Mit dem Bus fahren wir zum Projekt. Seit 20 Jahren arbeiten katholische Schwestern in dem Armenviertel. 40.000 Menschen wohnen dicht aufeinander gedrängt in kleinen Blechhütten. Das Abwasser steht neben den schmalen Gehwegen, die durch das Viertel führen. Es riecht entsprechend streng, würden wir in Franken sagen. Ich frage mich immer wieder, was wird wohl passieren, wenn es einmal richtig redet. Gut kann ich es verstehen, dass die Kinder dann nicht zur Schule gehen. Ich könnte mir vorstellen, dass das ganze Abwasser dann auch in die Hütten läuft. Nicht auszudenken, was dass für die Wohnverhältnisse bedeutet……..

In dem Armenviertel hat sich eine Kooperative gebildet, die selbstständig über ihre Aktivitäten entscheidet. Die Schwestern und auch Jonas geben Nachhilfeunterricht, spielen mit den Kindern und bieten verschiedene Fortbildungskursen mit.

Nachmittags lerne ich das ökumenische Menschenrechtsbüro kennen. Arturo Blatezky hat sich mit seinem Team große Verdienste erworben, in dem er die Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur hartnäckig verfolgte.
Heute kümmert sich das Menschenrechtsbüro um misshandelte Frauen, um die Menschen in den Armenvierteln und wirkt der Kriminalisierung der armen Kinder entgegen.

Natürlich diskutieren wir auch über die Landflucht, die durch die Agroindustrie einen neuen Schub bekommen hat und große Umweltschädigungen nach sich zieht. Für mich ist es neu, dass dieses Thema auch Argentinien so stark betrifft.
Aber davon werde ich sicher mehr erzählen können, wenn ich im Chaco bin.

Montag, 5. April 2010

Ostersonntag in Buenos Aires - 4. April 2010

Ostersonntag, der 4. April 2010

Buenos Aires ist am Ostersonntag in der Früh wie ausgestorben. Wie mir gesagt wurde nutzen die Porteños die Osterfeiertage für Kurzurlaube und Ausflüge.
Christoph Gille, zuständig für die Freiwilligen in Argentinien und Jonas, Freiwilliger aus Paderborn und ich fahren in den Außenbezirk San Miguel. Die Evangelische Kirche am Rio de la Plata hat in dem Stadtteil eine diakonische Einrichtung, die sich Casa San Pablo nennt. Mit Zug und Bus sind wir ca. 90 Minuten unterwegs um zu dem Projekt zu kommen. Vorbei geht es dabei an reichere und ärmere Viertel, aber die Stadt hört nicht auf.
Die Zuglinie scheint unserer S-Bahn zu gleichen. Sie ist aber in einem sehr herunter gekommenen Zustand. Christoph Gille erklärt mir, dass die Bahn privatisiert wurde mit den Folgen, dass nichts mehr in den Erhalt investiert wird und 70 % der Linien geschlossen wurden.
Casa San Paplo liegt in einem Armenviertel und wir werden von dem Pastor Sabino Ayala und dem Team herzlich empfangen.
Wie üblich trinken wir erst einmal Mate, aber um 11.00 Uhr feiern wir den Ostergottesdienst. Der Raum in dem der Gottesdienst stattfindet ist abgedunkelt. Alle Plätze, Stühle und Bänke sind mit Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern gefüllt. Mit einer einfachen Liturgie und schwungvollen Liedern führt der Pastor auf das Osterereignis hin. Es ist spannend wie er das Osterereignis erzählt und mit Gegenständen auch illustriert. Dabei bleibt klar, dass letztlich die Auferstehung für uns Menschen ein Geheimnis bleibt, aber so wie Maria Magdalena und die Jünger neuen Mut schöpften so kann auch Jesus Christus heute in unserem Herzen wohnen und uns ermutigen eine „andere Welt“ zu gestalten. Das ganze Team ist in den Gottesdienstablauf mit einbezogen. Am Schluss feiern wir in dem bescheidenen Räumen Abendmahl – es ist ein besonderes Erlebnis.
Nach dem Gottesdienst haben wir die Möglichkeit mit dem Team, das ausschließlich aus dem Armenviertel kommt, uns auszutauschen. Über die diakonische Arbeit ist hier in den letzten 20 Jahren, seit dem dieses Projekt besteht, eine evangelische Gemeinde mit engagierten Mitarbeitenden gewachsen.
Gleichzeitig habe ich die Gelegenheit mit unserer Freiwilligen Hannah das Jahr im Casa San Pablo zu reflektieren.
Abends besuche ich den Ostergottesdienst in einer Mittelschichtsgemeinde der Unierten Evangelisch Lutherischen Kirche in der Innenstadt von Buenos Aires. Der Gottesdienst ist liturgisch gestaltet. Die Lieder ähneln unseren Chorälen. Es ist alles sehr viel statischer als am Morgen, aber doch auch in dem anschließenden Kirchenkaffee sehr herzlich.