Freitag, 16. April 2010

Abschluss der Konferenz in Bogotá




Erol Inschanallj aus Guayana im Abschlussgottesdienst





Freitag, der 16. April 2010

Mit einer beeindruckenden Abschlussveranstaltung wurde die vorbereitende Konferenz der Kirchen in Lateinamerika und Karibik heute beendet.
Es hat mich besonders berührt, dass ich als Deutscher dabei sein konnte. Die Evangelisch-Lutherische Kirche begann in Deutschland und Martin Luther konnte sich sicher nicht vorstellen, dass es mal eine Weltkirche werden würde. Er wollte ja nur die katholische Kirche reformieren.
Heute erreicht sie Menschen, die keine Wurzeln in der europäischen Kultur haben. Vertreterinnen und Vertreter der indianischen Völker, Menschen indischer Abstammung und natürlich auch ein paar Weiße, die von Emigranten abstammen trafen sich in Bogotá. Das Verbindende war nicht mehr die gemeinsame Kultur, die deutsche Sprache oder eine gemeinsame Vergangenheit, nein, ganz im Gegenteil, aus ganz gegensätzlichen Kulturen stammten die Menschen.
Was sie alle verbindet ist der Glaube an den Dreieinigen Gott nach dem lutherischen Verständnis. Die Lieder, die wir singen sind keine übersetzten Choräle aus dem zentraleuropäischen Raum, sondern sind Melodien und Texte die aus dem lateinamerikanischen Kontext stammen. Aber es sind trotzdem deutlich Gemeinsamkeiten zu spüren. Das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis sprechen wir - und das Abendmahl feiern wir - in der lutherischen Tradition. An dieser Stelle spüre ich unsere Verbundenheit, die trotz aller Unterschiede besteht.

Christen sind Brückenbauer
Der Versöhnungsgottesdienst mit den Mennoniten, die als Anababtisten im 16. Jahrhundert auch von den Lutheranern in Europa verfolgt wurden zeigt, wie stark sich die Menschen mit der lutherischen Tradition verbunden fühlen.

In einer gemeinsamen Deklaration drückten die Kirchenpräsidenten der Kirchen Kolumbiens und Venezuelas ihre Verbundenheit aus. Sie wollten damit ein Zeichen setzen wie Kirchen Brücken bauen können, wenn Völker miteinander zerstritten sind.

An dieser Stelle spüre ich auch unsere Verantwortung, wenn die Einwohner Zentralamerikas, Perus und Boliviens über Multinationale Konzerne klagen, die durch den Abbau von Gold, Silber und anderen natürlichen Ressourcen ihre Gewässer verschmutzen. Ich stelle mir dabei die Fragen, wie wir als Christen an dieser Stelle Brückenbauer sein können um dieser Ausbeutung entgegen wirken zu können.











Die KirchenpräsidentInnen Venezuelas und Kolumbiens bei ihrer Erklärung


Was bleibt!
Der Schrei: „Unser tägliches Brot gib uns heute“ aus dem Vaterunser
war in diesen 4 Tagen deutlich zu hören. Nach dem lutherischen Verständnis begleiten die Kirchen die Menschen ganzheitlich und erfahren dabei das ganze Leid, dass durch die wirtschaftliche Ausbeutung den Menschen widerfährt.
Aber sie leben von der Auferstehungshoffnung her und beugen sich nicht den zerstörenden Kräften. In den Gesprächen höre ich immer wieder Beispiele, die davon zeugen, dass die Hoffnung zur Realität wird.

Das Auseinandergehen ist herzlich. Im Mittelpunkt steht die Verabschiedung von Martin Junge, der ab November das Amt des Generalsekretärs im Lutherischen Weltbund in Genf übernimmt. Alle sind sich einig, dass es ein Verlust für die lateinamerikanischen Kirchen und ein Gewinn für den Lutherischen Weltbund sein wird.



Martin Junge, bisher Sekretär des lutherischen Weltbundes für Lateinamerika und Karibik und neuer Generalsekretär des LWB.



Hans Zeller



Bischof Melvin Jimenez, Costa Rica und Konferenzvorsitzender

Eindrücke aus Bogotá (Kolumbien)

Dienstag bis Donnerstag, 13. - 15. April

Die Kirchen in der Region können auf einen siebenjährigen gemeinsamen Prozess zurückblicken. Dieser gemeinsame Weg hat nach Einschätzung der Kirchen verstärkte Interaktion, Zusammenarbeit und wachsendes wechselseitiges Vertrauen hervorgebracht.
Deshalb stand bei diesem Treffen auch die Frage im Mittelpunkt, wie sie die Erfahrungen, die sie als in Gemeinschaft stehende Kirchen in der wechselseitigen Begleitung und Weggemeinschaft gemacht haben am besten weitergeben können.
Im Rahmen des genannten Prozesses ist den Kirchen bewusst geworden, „Unterschiede sind keine Bedrohung, sondern eine Chance, voneinander zu lernen“, so Pfr. Martin Junge, Gebietsreferent für Lateinamerika und die Karibik.

In der Konferenz bereiteten sich die Delegierten auf die 11. Vollversammlung des LWB in Stuttgart vor. Das Thema „Unser tägliches Brot gib uns heute“ wurde bei den Andachten, Gottesdiensten und Vorträgen bearbeitet.

Bei den einzelnen Statements der Kirchen war viel von dem Leid und der Wut zu hören, die die Menschen erfahren. Sie müssen hart arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die ungerechten Strukturen haben aber zur Folge, dass viele inmitten der Fülle von Ressourcen, die Gott schenkt, weiterhin unter vielfältiger Not, einschließlich Hunger, leiden.
Deutlich wurde die Überzeugung hervorgehoben, dass es nach Gottes Plan nie um ‘mein Brot’, sondern immer um ‘unser Brot’ geht. Deshalb, so die Delegierten, ist die Kirche aufgerufen, sich an der Seite derjenigen zu engagieren, die nach wie vor keinen Zugang zum täglichen Brot - zu Unterkunft, Wasser, Nahrung und anderen Grundrechten – haben.

Es hatten aber viele Hoffnungszeichen ihren Platz bei der Konferenz. Gerade dort wo die Kirchen im Sinne ihres ganzheitlichen Missionsverständnisses für die Menschen einstehen und der pastorale Auftrag mit dem diakonischen Auftrag verbunden wird, da wächst Hoffnung. So berichtet Pfarrer Luis Cristóbal von Initiativen in der bolivianischen Kirchen, die den indigenen Völkern helfen, dass sie über den ökologischen Landbau unabhängig von großen Konzernen werden und damit ihre Ernährung sicher stellen. Die Kirche ist vor allem in den ländlichen Regionen unter den Indigenen Völkern aktiv und stärkt ihre Identität. So werden neben der spanischen Sprachen die traditionellen Sprachen gepflegt.
Cristóbal, von den Aymara Indianern und ich auf der Konferenz



Im Rahmen der Regionalkonferenz wurde in einer gemeinsamen Sitzung die Zusammenarbeit von LutheranerInnen und MennonitInnen in Kolumbien geplant. Es war eine Gelegenheit, um sich mit den AnabaptistInnen zu versöhnen, die im 16. Jahrhundert unter anderem auch von lutherischer Seite verfolgt wurden.
In Kolumbien stehen Lutheranerinnen und Lutheraner schon heute in Kontakt mit den Mennoniten und Mennonitinnen, da sie das überzeugte diakonische Engagement für die Bevölkerung verbindet, die unter Gewalt, Vertreibung und Ausgrenzung leidet.
In einem Gottesdienst gab es einen Moment zur tiefen gegenseitigen Stärkung, damit sie auch in Zukunft als Brückenbauende und Friedensstiftende im kolumbianischen Kontext und in der gesamten Region Zeugnis ablegen können.

Donnerstag, 15. April 2010

Vorbereitungskonferenz in Bogotá für die 11. Vollversammlung des LWB

Montag, der 12. April 10

16 Kirchen Lateinamerikas und der Karibik kommen auf der Vorbereitungskonferenz in Bogotá, Kolumbien zusammen.
Das Thema lautet: „Unser tägliches Brot gib uns heute“.
Brot steht auch im Mittelpunkt des Eröffnungsgottesdienstes. Es ist beeindruckend wie die KirchenvertreterInnen aus dem ganzen Kontinent ihre verschiedenen Brotarten zum Altar bringen. Aus Zentralamerika und den Andenstaaten kommt Maisbrot. In den übrigen Kirchen dominiert das Weißbrot, das aber unterschiedliche Formen hat. Die VertreterInnen der Kirchen sind zum großen Teil keine europäischen Nachkommen mehr. Die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Lateinamerika und Karibik sind bunt geworden. Die Einflüsse der Indigenen und Afroamerikaner sind in den Kirchen Zentralamerikas, Boliviens, Perus, Kolumbiens, Surinams und Guineas deutlich zu spüren.


Das Thema der Konferenz wird durch das Logo charakterisiert.

Das schlichte Design des Logos vereint zwei Elemente in einer Grafik. Die mit nur einem Federstrich gezeichnete, grüne Knospe versinnbildlicht das Leben und das Wachstum, das Gott der Schöpfung schenkt, und ist ein Hinweis auf das Reich Gottes, das wächst und sich ausbreitet.
Die Bitte um das „tägliche Brot“ ist eine Erinnerung, dass alle Menschen dieselben Grundbedürfnisse haben und dass alle aufgerufen sind, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Das Kreuz in der Mitte soll deutlich machen, dass der gekreuzigte Jesus Christus der Herr der Kirche ist. Die leicht nach oben gekrümmte Form des Kreuzes soll verdeutlichen, dass das Kreuz etwas Lebendiges ist, das die Auferstehungshoffnung der Christen und Christinnen symbolisch darstellt.

Abschied von Buenos Aires und Argentinien

Sonntag, der 11. April 2010

Nach dem Aufenthalt im Chaco kam ich am Sonntagnachmittag nach einer Nachtfahrt wieder zurück nach Buenos Aires. Es war für mich eine Möglichkeit die Stadt etwas kennen zu lernen. Nachdem ich den Armutsgürtel um Buenos Aires gesehen habe und die bescheidenen Verhältnisse der Menschen im Chaco erlebte, schockte mich der Reichtum im Zentrum Buenos Aires.

Es empfingen mich bei strahlendem Sonnenschein breite Straßen, imposante Plätze und ein modernes Bankenzentrum. An der Stelle wurden mir wieder einmal die strukturellen Unterschiede bewusst. Jetzt verstehe ich, dass man Argentinien ganz grob in zwei Teile einteilt. Auf der einen Seite die Porteños (Einwohner von Buenos Aires) auf der anderen Seite die Einwohner des übrigen Argentiniens. Wobei es dabei sicher auch noch große Unterschiede gibt. Die Zentralisierung der politischen Macht auf die Hauptstadt bringt es mit sich, dass in und um sie herum 15 Millionen Einwohner ansässig geworden sind. Ca. 40 Millionen Einwohner hat Argentinien und ist 7 Mal größer als Deutschland.
Daran wird deutlich wie stark die Bevölkerung sich auf die Hauptstadt konzentriert.

Wie kommt es zu dieser städtischen Konzentration? Das Phänomen der Landflucht ist wie in ganz Lateinamerika stark von der Industrialisierung der Landwirtschaft beeinflusst. Ich werde informiert, dass die großen Ländereien zum Teil von großen Konzernen bewirtschaftet werden, die das Land nicht nachhaltig bewirtschaften und die kleinen Campesinos verdrängen. Die wiederum wandern in die Städte ab und bilden einen Gürtel der Misere in den Peripherien der Großstädte.
Daran wird deutlich, dass die verfehlte Agrarpolitik der letzten 50 Jahre, die die grüne Revolution verbunden mit der Politik des Wachsens oder Weichens propagierte letzten Endes viel Armut schuf. In diesem Zusammenhang gehört das legendäre argentinische Steak der Vergangenheit an. Die Rinder werden dicht zusammen gedrängt in Ställen gehalten und bekommen streng kontrollierte Rationen um möglichst schnell schlachtreif zu werden.

Im Gespräch mit den Menschen spürte ich die Wunden, die aus dem Militärputsch, der am 24. März 1976 stattfand herrühren. Bis 1983 dauerte die Militärdiktatur. 30.000 Personen sind während dieser Zeit verschwundnen. Viele Familien wissen bis heute noch nichts Genaues über ihre Angehörigen, die zum Teil gefoltert und ermordet wurden. Erst in den letzten 15 Jahren werden die Schicksale und all das was passiert ist aufgearbeitet.
Bei allen Gesprächen wird deutlich: „Nie wieder Militärputsch“.

Alle politischen Richtungen stimmen überein, dass die USA aus ökonomischen Interessen diesen Militärputsch mitfinanzierte. Eindeutig werden die Auslandsschulden auf die Zeit der Militärdiktatur zurück geführt. Könnte es sein, dass Europa auch involviert war? Ich hoffe, dass es nicht so ist. Aber mit diesen zwiespältigen Gefühlen verlasse ich Argentinien und ich breche nach Bogotá auf, um an der vorbereitenden Versammlung der lateinamerikanischen Kirchen zur Vollversammlung des lutherischen Weltbundes teilzunehmen.

Dienstag, 13. April 2010

Ein Tag in Charata - Chaco - Argentinien

Samstag, der 10. April 10 in Charata

Nach 6 Stunden Fahrt komme ich in Charata an. In der Stadt leben ca. 40.000 Einwohner. Das Einkommen in der Region wird durch Landwirtschaft erworben. Es wird Mais, Sorghum, Soja, Sonnenblumen und Baumwolle angebaut. In der Regel sind es große landwirtschaftliche Güter, die das Land bewirtschaften und für den Export produzieren. Die ärmere Bevölkerung wird als TagelöhnerInnen in der Ernte oder bei der Pflege der Kulturen eingesetzt. Dazu wird über Radio oder Fernsehen ausgegeben, wie viel ArbeiterInnen für einen bestimmten Tag gebraucht werden. Sie werden dann zusammengerufen und auf einem Lastwagen geht es dann zur Arbeit. (Unwillkürlich fallen mir an dieser Stelle einige biblische Beispiele dazu ein) Je nach Arbeitsanfall bleiben die ArbeiterInnen 1 Woche oder länger auf dem Feld und werden dann in cash ausbezahlt.

In dem Projekt „Con el corazón abierto“ in Charata arbeitet Mona, Freiwillige von Mission EineWelt. Jeden Tag bietet sie für die Kinder Kurse in Englisch und im kunsthandwerklichen Bereich an.
Am Samstag ist sie für die Vorbereitung des Frühstücks zuständig. Am Nachmittag gibt es eine kleine Zwischenmahlzeit, die sie ebenfalls herrichtet. Am Vormittag kommen ca. 90 Kinder und Jugendliche, die nach dem Frühstück altersmäßig aufgeteilt werden und Nachhilfeunterricht bekommen. Am Nachmittag sind es ca. 45 Kinder, die ebenfalls von einem Lehrer angeleitet werden und vor allem kleine Kunstwerke basteln.

Die Leiterin des Projekts Sandra Dari kennt alle Kinder beim Namen und wohnte bis vor kurzem auf dem Kirchengelände, das ausreichend Platz für die vielfältigen Aktivitäten des Projektes bietet. Bei einem Rundgang in dem ärmlichen Stadtteil hören wir die Stimmen der Einwohner. Sie sind froh, dass ihre Kinder in dem Projekt gut aufgehoben sind. Sie wissen, dass es dort keine Drogen und Kriminalität gibt. Die ärmeren Familien möchten auf diese Weise ihnen eine bessere Zukunft ermöglichen. Ob die wirtschaftliche Struktur dies auch zulassen wird, das bleibt dahin gestellt. Denn die Landwirtschaft ist vom Großgrundbesitz geprägt und im Moment leben die LandarbeiterInnen in einer großen Unsicherheit. Sie werden eingesetzt, wenn man sie braucht und haben keine Arbeitsverträge und damit auch keinen Schutz bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit.

In den letzten 7 Jahren war es sehr trocken im Chaco. Manche führen es darauf zurück, dass die Wälder zum großen Teil für die landwirtschaftliche Nutzung gerodet wurden. Ebenfalls stark angestiegen ist die Krankheit Dengue, die von einer Mücke übertragen wird und einer starken Grippe ähnelt, aber bei mehreren Wiederholungsfällen lebensbedrohlich sein kann.

Auf die Frage, was das Freiwilligenjahr bringt, antwortet mir Mona (Freiwillige in Charata): „Ich habe meine Stärken wahrgenommen“. Sicher ist es was anderes als das, was man / frau in der Schule lernt. Ich bin der Meinung, dass es aber ein wichtiger Teil des Lernprozesses auf dem Weg zum Erwachsenenwerden ist.