Samstag, 11. Januar 2014

20 Jahre Gentechnik - und jetzt?


Professor Andrioli aus Brasilien sprach in Uffenheim über Gentechnik, Agrarstruktur und Förderung von Kleinbauern

Schon lange vor Veranstaltungsbeginn hatte sich der Saal gefüllt, mussten zusätzliche Stühle für die insgesamt 180 Interessierten geholt werden. Mission EineWelt, der Bund Naturschutz, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und die Grünen hatten zum Vortrag über Gentechnik, Agrarökologie und den agrarpolitischen Wandel in Brasilien eingeladen. Für viele Landwirte in der Region ein wichtiges Thema, da die Tiere in der Regel mit importiertem Soja aus Südamerika gefüttert werden. Und das ist fast immer gentechnisch manipuliert.

Professor Antônio Inácio Andrioli schilderte die Folgen des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais in Brasilien. Dort hat die Baumwollkapseleule, eine Raupenart, Resistenzen gegen das Bt-Toxin entwickelt. Die natürlichen Fressfeinde wurden durch das Toxin vernichtet. Deshalb gibt es jetzt keine natürlichen Regulativen mehr. Die Regierung hat den Notstand ausgerufen und ein aus Gesundheitsgründen eigentlich nicht zugelassenes Insektizid als letzte Möglichkeit erlaubt. Andrioli ist Vize-Rektor der staatlichen Universität von Frontera Sul im Süden Brasiliens. Als Mitglied der brasilianischen Biosicherheitskommission hat er einen guten Überblick über die aktuelle Situation in Brasilien.

Durch den Anbau von herbizidresistenten Pflanzen ist nach seinen Worten der Einsatz des Spritzmittels Glyphosat immens gestiegen. Die Rückstandsgrenze wurde deshalb von 0,2 mg auf 10 mg erhöht. Insgesamt hat der Verbrauch von Pestiziden in Brasilien um 240 % zugenommen.  Außerdem sind dringend unabhängige Untersuchungen von gentechnisch manipulierten Sorten nötig, da einige Studien auf große Gesundheitsgefahren hinweisen.

Klar ist, dass eine gute ländliche Entwicklung und Sicherung der Ernährung viele gut ausgebildete Bäuerinnen und Bauern braucht. Deshalb wird die traditionelle Agrarpolitik Brasiliens mittlerweile durch Kleinbauernförderung ergänzt. Zum einen durch die Verbindung von Schulessen und Null-Hunger-Programm mit Absatzförderung von Kleinbetrieben. Zum anderen auch durch die Gründung einer neuen Universität, an der v.a. Studierende aus öffentlichen Schulen aufgenommen werden. Die 60 Professoren werden ausschließlich vom Staat bezahlt. Ziel ist, Bauernkindern aus der Region eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung zu verschaffen, unabhängig von der Finanzierung durch die Agrarindustrie. Forschung findet in und mit der Landwirtschaft statt und richtet sich auf die lokale Lebenswirklichkeit aus.

Andrioli fasste zusammen, dass die Gentechnik ihre Versprechungen nicht eingelöst hat. Die Produktionskosten wurden nicht gesenkt, es gibt keine höheren Erträge, der Einsatz von Pestiziden wurde nicht verringert, es gibt nicht weniger Hunger im Land. "Das Kriterium um Wissenschaft zu testen ist die Praxis. - Na ja", so sein Fazit.

Am Ende gab es noch Informationen für die Landwirte über den Bezug von gentechnik-freiem Soja, das einen höheren Eiweißgehalt hat, und eine Einladung zu einem Forschungsnetzwerk für hiesigen Sojaanbau.

20. Dezember 2013
Angela Müller
Landwirtschaftsexpertin bei Mission EineWelt

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